Hunde, Hähne und Juan

Gegen 18 Uhr Abends am Montag, den 27. August, drehe ich mich zum letzten Mal am Terminal des Flughafen München zu meiner Familie um. Die große Reise beginnt.
Als ich spätabends in Madrid lande, bin ich auf mich allein gestellt. Gepäckausgabe, Shuttle zum Hostel, das ich mir für eine Nacht gebucht habe, und die Orientierung im relativ unübersichtlichen und großen Madrider Flughafen. Am nächsten Morgen muss ich früh raus: Für den internationalen Flug von Madrid Barajas nach Mariscal Sucre in Quito bin ich zweieinhalb Stunden früher da. Von da an geht alles ganz schnell: Bei der Gepäckaufgabe, der Sicherheit und der internationalen Passkontrolle stehe ich jeweils unter 5 Minuten an. Es bleibt sogar Zeit, sich am Flughafen noch ein Frühstück und Haribo für Ecuador zu kaufen.

Um halb 12 sitze ich dann im Flugzeug, aufgeregt, aber voller Vorfreude, auf das mich erwartet. 11 Stunden später lande ich nach einem ruhigen und ereignislosen Flug in Quito. Die Landung allein ist eine Attraktion: Da Quito auf fast 3000m liegt, fliegt man direkt durch die Berge hindurch und ziemlich nah an diesen vorbei. Doch sobald man aussteigt, merkt man wie alles anstrengender wird. In Quito verbringe ich die erste Nacht auf einem kleinem Bauernhof mit Hotelzimmern, bei dem ich das erste Mal Ananassaft trinke, ein Babylama sehen kann und dank der Höhensonne nach 5 Minuten einen Sonnenbrand bekomme.

Am Flughafen von Quito treffe ich drei andere Freiwillige, mit denen ich zusammenarbeiten werde. Eine weitere ist bereits da. Nach 4h Reggaeton, 80 Kilometer Passstraße und 2400 Meter Höhenunterschied kommen wir in Santo Domingo de los Tsáchilas an. 

Am nächsten Tag geht es zum ersten Mal zum Kinderheim. Teresita, die Heimleiterin, erklärt uns unsere Aufgaben und wir werden ein wenig herumgeführt. Nachmittags machen wir eine Wanderung hoch auf den "Berg" über Santo Domingo, wo man die ganze Stadt überblicken kann. Das ist zwar echt anstrengend, aber lohnt sich im Endeffekt doch.

Am Freitag wird der erste Ausflug für uns organisiert: Wir fahren zusammen auf die Finka des Heims. Dort führt uns Geovanny mit einer Machete (für Schlangen und Früchte) herum und zeigt uns die Tiere und Früchte die es dort gibt: Schweine, Esel, Hühner, Tomaten, Maracuia, Kaffee und Kakao, Plátano (So eine Art Banane) und Yuca (so etwas wie Kartoffel)
Es gibt einen "Schnäck": Bananen und Bananenchips (sehr lecker)
Nach dem Ausflug geht Geovanny mit uns noch zum Fluss San Gabriél, wo er uns ein "Michelado" spendiert. Das soll ganz beliebt bei den Einwohnern hier sein. Beim ersten Schluck stellt man jedoch ziemlich schnell fest, dass das nicht so ganz dem deutschen Geschmack entspricht: Es ist Bier mit Limonensaft und einer Riesenmenge Salz (bähhhhhh).
Danach findet im Casa Hogar das Monatsfest statt: Alle Häuser des Heims zeigen ihre Aufgaben des Monats, meist etwas basteln oder Sport, und der Geburtstag aller Augustkinder wird mit Kuchen gefeiert. Am Abend wird gegrillt. Da es aber im Heim leider nur Löffel zum Essen gibt, kämpfe ich ganz schön mit dem Steak, das mir vorgelegt wird. Noch habe ich mich nicht dazu durchgerungen, mit den Händen zu essen. 
An unserem ersten Wochenende ist endlich einmal Zeit, sich einzugewöhnen. Es wird geputzt, gekocht und das Wasser funktioniert nicht. 
Der kleine Patrick

Montags fange ich an, zu arbeiten. Eigentlich hätte ich noch die Woche frei, jedoch wollte ich gleich die Arbeit kennenlernen. Zusammen mit Rebekka arbeite ich bei den ganz kleinen des Heims. Ich bin dabei für den kleinen Patrick (16 Monate) verantwortlich. Über die Woche hinweg arbeite ich mich immer mehr ein und mein Spanisch, das anfangs echt zu wünschen übrig ließ, wird immer besser. 
Täglich beginnt bis jetzt die Arbeit um 8 Uhr morgen, wobei ich gleich mit den Kleinen zum Spielen gehe. Um halb 10 gibt es einen "Schnack" und danach werden sie auch schon zum Schlafen gebracht. Erst um 12 Uhr muss ich wieder aufwecken und füttern. Mein eigenes Mittagessen findet um halb 2 statt, zusammen mit den Jungs. Jeder Freiwillige sitzt hierbei bei einem Tisch mit einer Gruppe von Jungs, die gemeinsam in einem Haus wohnen (meistens acht mit einem Erzieher). Danach gehen wir nach "Hause", in die Wohnung, die etwa 35 Gehminuten vom Heim entfernt ist, für unsere Mittagspause. Um 5 Uhr beginnt unser täglicher Spanischunterricht bei Veronica in der nahegelegenen Grundschule, in der ich später auch unterrichten werde.

Gemeinsam im WG- Alltag verbringen wir viel Zeit untereinander: Es wird gekocht, Spiele werden gespielt oder einfach geratscht. Schnell versteht sich die Gruppe ziemlich gut untereinander.
Nachdem wir uns ein wenig eingewöhnt haben, fangen wir auch schon an, unsere ersten Urlaube als Gruppe zu planen: Quito und Otavalo im Oktober und Guayaquil und Cuenca im November.

Der Haushalt ist hier eine kleine Herausforderung: Es gibt nur kaltes Wasser, das manchmal auch einfach nicht funktioniert, wir haben weder Staubsauger noch Waschmaschine, und durch die Fenster und der Spalte zwischen Wand und Dach kommt der Dreck der Straße hinein. Generell ist es eigentlich nie wirklich sauber.

Donnerstag, den 6. September, erleben wir unseren ersten kleinen Schock, neben dem Kulturschock, der uns wohl doch getroffen hat ("Wo sind die Warentrenner?"), denn kurz nach 21 Uhr fängt die Erde an zu beben. Komplett überfordert mit der Situation verlassen wir das Haus erst, als es aufhört zu wackeln, und werden von unserem netten Nachbarn über Erdbebensicherheit informiert (Haus sofort verlassen). Später erfahren wir, dass das Epizentrum nahe Guayaquil (Stadt mit 3 Millionen Einwohnern, circa 200 km entfernt) liegt und dort mit einer Stärke von 6,6 viel Schaden angerichtet hat. Die ganze Erfahrung ist ziemlich unheimlich und wir sind froh als es endlich vorbei ist.

In der nächsten Woche sind in Santo Domingo Schulferien. Das heißt, für die Kinder ist täglich ein Ausflug geplant, bei dem wir mitfahren können und so auch schon jetzt einiges von Ecuador sehen können. Darauf freue ich mich besonders, weil sich dort bestimmt einzigartige Erfahrungen ergeben.


Nach fast zwei Wochen in Südamerika kann ich endlich mal meine ersten Eindrücke zusammenfassen. Dinge, die mich überrascht haben, die mich freuen oder auch stören.
  •  Natürlich der südamerikanische Reggaeton die einzig akzeptierte Musikrichtung und man wird den ganzen Tag aus allen Richtungen damit beschallt. 
  • Das Klima hat mich besonders überrascht: Morgens ist es echt kalt und erst Mittags wird es wirklich warm
  • Der durchschnittliche Ecuadorianer in Santo Domingo besitzt schätzungsweise 3 unerzogene Hunde, die einen schonmal durch den Zaun anspringen, die ganze Nacht durchbellen und knurren, wenn ein Mensch vorbeigeht
  • In meiner Nachbarschaft gibt es vermutlich 10 Hähne, die einen pünktlich in der Früh wecken
  • Als Deutsche fallen wir hier besonders auf: Blonde Haare sind selten und somit ziehen wir viel Aufmerksamkeit an: Um die Attraktivität einer Frau hier zu würdigen, wird man durch lautes Hupen, Rufen (ayyy Mami) oder auch durch ein spontanes Ständchen vom männlichen Geschlecht erschreckt (auch gewagte Stunts auf dem Motorrad gehören zu den Verführungsstrategien)
  • Vermutlich jeder zweite Junge im Heim heißt Juan (Sprich: Huan)
  • Einige Lebensmittel wie etwa Ananas (personal Favorite) sind besonders billig, andere wie Milch oder Nutella sind unglaublich teuer
  • Obst hat hier oft einen ganz anderen Geschmack als in Deutschland, meistens viel intensiver und unglaublich lecker
  • Teilweise findet man im Boden einfach so 2 Meter tiefe Schächte, ohne Gitter oder ähnliches, auf den Bürgersteig oder auf der Straße
  • Autofahren ist hier wohl lebensgefährlich






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